[Verkehrspsychologie] [Sportwissenschaft] [Lexika]
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Intensive Untersuchungen von Reaktionszeiten stammen aus der Verkehrspsychologie (z.B. aus Dieter Klebelsberg, Verkehrspsychologie, Springer-Verlag, ISBN 3-540-11713-X).
Zunächst wird die Reaktionszeit in drei Anteile aufgespalten:
Wahrnehmungszeit: Das Ereignis muss in das Bewußtsein treten.
Erkennungszeit: Jetzt wird eingeschätzt, ob überhaupt eine Reaktion möglich und erforderlich ist.
Entscheidungszeit: In dieser Phase wird über die Art der Reaktion (Antwort) entschieden.
Jetzt erst kann eine Bewegung erfolgen, die dann in irgend einer Bewegung sichtbar wird. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Bewegunszeit, die gemessen wird, bis die Bewegung in der geplanten Zeit abgeschlossen ist. Für einen Bremsvorgang beginnt die Bewegungszeit in dem Augenblick, in dem der Fahrer das Bremspedal losläßt und sie endet, wenn die Bremsleuchte angeht.
Die Quelle nennt einige Reaktionszeiten:
Übertragungsweg Zeit Reizaufnahme im Rezeptor 1 - 40 ms Übertragung zum Kortex 1 - 100 ms zentrale Vorgänge 70 - 300 ms efferente Übertragung 10 - 20 ms Latenzzeit des Muskels 30 - 70 ms Einschränkend werden diese Zeiten für Einfachreaktionen unter Laborbedingungen ermittelt. Prinzipiell gibt es im Verkehr aber verschiedene Arten von Reaktionen:
Die Einfachreaktion ist der einfachste Fall, der standardisierte Bedingungen, Vorversuche um die Situation einzuüben und klare Signale (z.B. Töne, Lampen) umfasst. Beispiel: Auf das Startsignal hin wird eine Quittungstaste gedrückt. Es wird also nur die Wahrnehmung des Startsignals mittels Knopfdruck bestätigt.
Zitat: "Beispiel:...Für derartige Einfachreaktionen ... gelten bei taktiler und akustischer Reizvorgabe grobe Richtwerte von 0,10-0,20 s und bei optischen Signalen von 0,20-0,30 s. Reaktionszeitverkürzungen sind durch Kombination der verschiedenen Reizvorgaben oder durch Erhöhung der Reizintensität möglich (vgl. Woodworth u. Schlosberg 1954)."
Bei Mehrfachreaktionen gibt es mehrere Signale und entsprechend mehrere Antworten. Ein typisches Beispiel wäre das nachtippen eines Buchstaben, der auf dem Bildschirm erscheint oder farbige Lampen, zu denen ein entsprechend gleichfarbiger Schalter betätigt werden muss.
Bei Wahlreaktionen muss man nicht auf alle, sondern nur auf bestimmte Situationen reagieren. Dies entspricht am ehesten der Realität eines Kampfes, bei dem man nur Angriffe abwehren würde, die auch treffen könnten. Das wird unter Laborbedingungen wieder zu Lampen abstrahiert, deren aufleuchten man nur unter bestimmten Bedingungen beantwortet. Hier steigt die Reaktionszeit logarithmisch mit der Anzahl der Alternativen (das ist die gerade Linie in der Grafik als Obergrenze der Reaktionszeit). Die Grafik zeigt auch, dass Erfahrung und Übung die Reaktionszeiten wieder verkürzen (das ist die abknickende Linie in der Grafik als Untergrenze für die minimale Reaktionszeit)
Die nebenstehende Grafik aus der gleichen Quelle zeigt, wie sich die Reaktionszeiten in Abhängigkeit von der Übung und der Anzahl der Wahlmöglichkeiten verändern.
Die obere Grenze des grauen Bereichs gibt an, wie die Reaktionszeit zu Beginn der Übung aussieht: Sie wächst logarithmisch mit der Anzahl der Wahlmöglichkeiten.
Die untere Grenze des grauen Bereichs gibt an, wie sich die Reaktionszeit nach zahlreichen Wiederholungen entwickelt: Sie strebt, unabhängig von der Anzahl der Wahlmöglichkeiten, gegen einen konstanten Wert. Anmerkung: Die Versuchspersonen haben das Experiment mehrfach wiederholt. Die Quelle macht aber keine Angaben darüber, ob
- dieser Lerneffekt anhält, d.h. ob die Wiederholung des Experiments am nächsten Tag gleich mit besseren Reaktionszeiten startet,
- ob als Reaktionsantwort komplexe motorische Prozesse gefordert wurden, die z.B. einer Verteidigungshandlung im Kampfsport entsprechen - vermutlich eher nein, aus dem Experiment sollten Schlüsse auf die typischen Autofahrer-Reaktionen gewonnen werden.
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Verschiedene sportwissenschaftliche Untersuchungen haben zu folgender Reaktionszeit-Tabelle geführt:
Reizart | Versuchspersonen | Reaktionszeiten, verschiedene Quellen | |||||
Autor | Simkin | Zaciorskij | Oberste, Brandke |
Grosser | Nöcker | Dostal | |
Jahr | 1969 | 1972 | 1974 | 1976 | 1998 | 1991 | |
akustisches Signal (Startschuß) |
Nicht-Sportler | 0,15 | 0,17-0,27 | 0,14-0,31 | 0,12-0,18 | ||
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Allround-Sportler | 0,11-0,24 | ||||||
Leistungssprinter | 0,12-0,10 | 0,07-0,17 | 0,153 | ||||
Leistungssprinterinnen | 0,16-0,19 | 0,159 | |||||
Weltklasse-Sprinter | 0,05-0,07 | ||||||
optisches Signal | Nicht-Sportler | 0,16-0,18 | 0,20-0,35 | ||||
Allround-Sportler | 0,10-0,24 | ||||||
Leistungssportler | 0,05-0,09 | ||||||
taktiles Signal | Nichtsportler | 0,145 | 0,09-0,18 |
Quelle:
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Die Enzyklopädie Discovery von Bertelsmann nennt folgende Reaktionszeiten: